ARD, ZDF und Deutschlandradio droht eine milliardenschwere Finanzlücke in den nächsten vier Jahren. Eine Erhöhung des Beitrags scheint unumgänglich - doch Sachsen-Anhalt stellt sich quer. Die aktuelle Entwicklung im Ticker von FOCUS Online.
- ARD, ZDF und Deutschlandradio fehlen insgesamt 1,5 Milliarden Euro
- Der Rundfunkbeitrag soll deshalb zum 1. Januar 2020 auf 18,36 Euro pro Monat steigen
- Sachsen-Anhalt ist das einzige Bundesland, das sich dagegen stellt
- Eine schnelle Einigung scheint unmöglich, der 1. Januar als Stichtag utopisch
- Nun soll der Streit vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden
Hintergrund zum Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags:
Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Eine unabhängige Kommission prognostizierte eine Finanzlücke in den nächsten vier Jahren von insgesamt 1,5 Milliarden Euro und empfahl deshalb 18,36 Euro. Es wäre die erste Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Deutschland seit 2009.
Das schwarz-rot-grün regierte Sachsen-Anhalt ist das einzige Bundesland, das sich gegen die Anpassung des monatlichen Beitrags von 17,50 Euro auf 18,36 Euro gestellt hat. Weil aber alle Bundesländer Ja zu dem entsprechenden Staatsvertrag sagen müssen, kann dieser zum 1. Januar 2021 nicht in Kraft treten.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog den Gesetzentwurf aus dem Landtag vor der Abstimmung zurück, weil die regierende CDU mit der AfD eine Mehrheit gegen 86 Cent hätte bilden können. Die AfD ist größte Oppositionspartei und hat viele Sitze im Landtag in Magdeburg.
Mega-Revolution geplant: CDU-Experten wollen ARD und ZDF privatisieren
Mittwoch, 16. Dezember 2020, 9.45 Uhr: Die CDU bereitet offenbar eine Kehrtwende vor und will auf Konfrontationskurs zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehen: ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden, heißt es in Vorschlägen des „Bundesfachausschusses Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern“ für das Wahlkampfprogramm der CDU für die Bundestagswahl, wie der „Spiegel“ online berichtet.
„Langfristig sollten die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schrittweise privatisiert werden“, zitiert das Magazin aus dem Papier, das am Dienstag erstellt wurde. Mit den Privatisierungserlösen wolle die CDU einen Medienfonds speisen, aus dem künftig einzelne Programminhalte finanziert werden könnten.
Bis es so weit ist, „sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Aufgaben beschränkt werden, die private Anbieter nicht oder nur unzureichend gewährleisten können“, heißt es weiter. Als Beispiele nennen die CDU-Experten dem „Spiegel“ zufolge die Bereiche Information, Bildung und Kultur. In Zukunft dürften demnach nicht mehr ganze Sender, sondern nur noch Senderinhalte gefördert werden.
Länder wollen Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks forcieren
Dienstag, 15. Dezember 2020: Die Bundesländer wollen den Reformprozess zum Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland vorantreiben. Man sehe weitere Einspar- sowie Optimierungsmöglichkeiten bei der Struktur, die von den Sendern in die auch künftig erforderlichen Reform- und Optimierungsüberlegungen einbezogen werden müssten, teilten die Koordinatoren der Länder-Rundfunkkommission, die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab (SPD) und der sächsische Staatsminister Oliver Schenk (CDU), am Dienstag gemeinsam mit. „Gleichzeitig wollen wir die digitale Transformation der Anstalten und ihrer Angebote vorantreiben. Diese erfahren gerade jetzt in der Pandemie eine sehr große Nachfrage.“
Schäuble: Debatte über Öffentlich-Rechtliche darf man führen
Sonntag, 13. Dezember 2020: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat sich für eine nüchterne Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgesprochen. „Wenn die AfD sagt, zwei und zwei ist vier, dann ist nicht jeder ein Nazi, der diese Aussage bestätigt“, sagte der CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Im Landtag von Sachsen-Anhalt seien zunächst alle gegen Beitragserhöhungen gewesen, so Schäuble. Das sei auch im Koalitionsvertrag von Grünen, SPD und CDU festgehalten worden. „Die kritische Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf man doch führen, wenn zum Beispiel die SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagt, dass der Osten dort nicht immer nur im Zusammenhang mit Neonazis vorkommen dürfe.“
„Verantwortungsverweigerer“: ARD-Chef Buhrow sauer auf Sachsen-Anhalt
15.41 Uhr: ARD-Chef Tom Buhrow hat die Landesregierung in Sachsen-Anhalt für ihre Blockadehaltung bei der Erhöhung der Rundfunkgebühren scharf kritisiert. „Hier zeigt sich, dass Politiker zu Verantwortungsverweigerern werden“, sagte Buhrow am Freitag dem „Handelsblatt“. „Sie haben doch einen Hebel, um all das, was sich da in Jahrzehnten an Unbehagen aufgestaut hat, neu zu justieren. Sie haben das Recht und die Pflicht, uns zu beauftragen. Sie stehen in der Verantwortung für den Auftrag.“
Tatsächlich obliegt es den Ländern, den Aufgabenumfang der öffentlich-rechtlichen Sender festzulegen. Dem letzten sogenannten „Medienstaatsvertrag“ zur Struktur der Öffentlich-Rechtlichen hatte auch Sachsen-Anhalt zugestimmt, seit November ist er in Kraft. „Alles ist von der Politik so mitgetragen“, sagte Buhrow. „Ich habe durchaus Respekt dafür, dass gewählte Abgeordnete kritische Fragen stellen. Das ist legitim. Nur, vor der Verantwortung, den Auftrag zu ändern, laufen sie meiner Meinung nach davon.“ Er selbst stehe für Reformen bereit, betonte der ehemalige „Tagesthemen“-Sprecher.
Buhrow zeigte sich außerdem verärgert über jene CDU-Abgeordnete in Sachsen, „die die Ratifizierung dieses Staatsvertrags unzulässigerweise mit Programmkritik verknüpfen. Das Verfassungsgericht hat genau diese Übergriffigkeit in der Vergangenheit gerügt.“ Im August hatte etwa Landes-Generalsekretär Sven Schulze der „Bild“-Zeitung gesagt, wegen eines polizeikritischen Satirevideos des Jugendangebots Funk dürften die Gebühren „jetzt erst recht nicht“ erhöht werden. So etwas dürfe „nicht mit Geldern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert werden“, hatte Schulze gefordert.
Hinter der Debatte um die Rundfunkgebühren vermutet Buhrow daher „Populismus aus einer bestimmten Richtung“, der jetzt auch Deutschland erreicht habe. „Das erleben wir bei der BBC, in der Schweiz, in Dänemark.“ Wer jetzt Kürzungen fordere, müsse dann auch der Bevölkerung erklären, „was sie alles nicht mehr sehen oder hören soll.“ Denn, schlussfolgert der ARD-Chef: „Wenn es zu keiner Beitragserhöhung kommt, wird man das im Programm deutlich sehen und hören. Wir können nicht immer schlanker werden und dennoch die alte Leistung liefern.“
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Erster öffentlich-rechtlicher Sender reicht Klage ein
Freitag, 11. Dezember 2020, 9.10 Uhr: Der erste öffentlich-rechtliche Sender hat Klage zum Rundfunkbeitrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das sagte ein Gerichtssprecher am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Ein Sendersprecher teilte demnach am Donnerstag mit, dass der öffentlich-rechtliche Sender ein Eil- und ein Hauptverfahren anstrenge. Am Dienstag hatten ARD, ZDF und Deutschlandradio unabhängig voneinander mitgeteilt, dass sie wegen der Blockade aus Sachsen-Anhalt zur Rundfunkbeitragserhöhung nach Karlsruhe ziehen werden.
Deutschlandradio will Eilverfahren in Karlsruhe - Beitragserhöhung zum 1. Januar theoretisch möglich
Donnerstag, 10. Dezember 2020, 14.15 Uhr: Das Deutschlandradio will bei der geplanten Rundfunkbeitrags-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auch ein Eilverfahren anstoßen. Theoretisch wäre dann eine Rundfunkbeitragserhöhung schon zum 1. Januar möglich.
Der Rechtswissenschaftler Bernd Holznagel von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat in einer Stellungnahme die Möglichkeit eines Eilverfahrens in Karlsruhe ins Spiel gebracht. Das wäre dann vorgeschaltet, bis in der Hauptsache entschieden ist. Bei Erfolg im Eilverfahren könnte der Beitrag - zumindest vorläufig - laut Holznagel theoretisch doch zum 1. Januar steigen.
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