Zuletzt hatte Airbus mit dem Aus für sein einstiges Prestige-Flugzeug A380 für Schlagzeilen gesorgt. Nun hat das europäische Luftfahrtunternehmen in Ingolstadt seine Vision des städtischen Verkehrs der Zukunft präsentiert: den CityAirbus. Dahinter verbirgt sich ein elektrisches Luftfahrzeug mit acht Rotoren, das senkrecht starten und landen kann. Bislang sind solche Luftfahrzeuge Zukunftsmusik, doch die Nachfrage nach ihnen könnte nicht nur in asiatischen Megacities wachsen, sagte der Sprecher von Airbus Helicopters, Gregor von Kursell, im Interview mit NDR.de.
Vier Passagiere im autonom fliegenden Quadrocopter statt über 800 Passagiere im Riesen-Airbus: Schon von der Dimension her ist der CityAirbus etwas völlig Neues. Was unterscheidet ihn zusätzlich von allen bisher entwickelten Prototypen Ihres Unternehmens?
Gregor von Kursell: Der CityAirbus ist ein Demonstrator, kein Prototyp. Das bedeutet, das Vehikel wird getestet, und die Ergebnisse fließen dann in die Entwicklung des Prototypen ein, der einem späteren Serienflugzeug schon sehr ähnlich sein wird. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Hubschrauber wird der CityAirbus mit Batterien angetrieben. Das ermöglicht nicht nur emissionsfreies und geräuscharmes Fliegen vor Ort. Es erlaubt uns auch, die Konfiguration des Vehikels so zu verändern, dass es kostengünstiger zu betreiben ist als ein klassischer Hubschrauber. Dafür ist sein Missionsspektrum auch wesentlich eingeschränkter.
Welche technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gaben den Ausschlag zur Entwicklung?
von Kursell: Wir haben Trends wie Urbanisierung und Digitalisierung einerseits sowie elektrische und autonome Mobilität anderseits beobachtet und unsere Schlüsse daraus gezogen. Angesichts der wachsenden Verkehrsprobleme am Boden bietet es sich an, die dritte Dimension mit in die Verkehrsplanung mit einzubeziehen.
Kommen wir zur Praxis: Wo könnte der CityAirbus überhaupt eingesetzt werden. Welche Routen erscheinen Ihnen grundsätzlich sinnvoll?
von Kursell: Eine naheliegende Anwendung wäre beispielsweise der Weg vom Zentrum zum Flughafen und zurück. Ausschlaggebend ist, dass auf einer solchen Strecke eine große Nachfrage besteht und die Wege am Boden überlastet sind.
Wo könnten die Flieger starten und landen?
von Kursell: Sie werden dort zum Einsatz kommen, wo sich zuerst ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell abzeichnet. Genauer gesagt dort, wo aufgrund erheblicher Verkehrsprobleme am Boden ein großer Bedarf nach städtischem Luftverkehr besteht. Elektrisch betriebene Luftfahrzeuge für den innerstädtischen Verkehr sind keine Spielerei, sondern sollen den Menschen einen Mehrwert bringen. Die Megacities in Asien und Lateinamerika werden wahrscheinlich unter den Ersten sein. In Europa und Deutschland haben wir zum Glück nur wenige Städte, die vor dem Verkehrskollaps stehen. Aber auch hierzulande sehen wir Möglichkeiten für einen nachhaltigen und kommerziell erfolgreichen Betrieb.
Häufig wird die Bezeichnung "Flugtaxi" verwendet. Wie muss man sich das vorstellen: Man steht am Straßenrand und winkt von oben ein "Flugtaxi" heran?
von Kursell: Der Begriff Lufttaxi ist irreführend, denn man wird sich einen CityAirbus nicht nach Hause bestellen und damit an jeden beliebigen Ort fliegen können. Unsere Luftfahrzeuge werden auf festen Routen Passagiere zwischen zentralen Punkten hin- und her befördern, sie sind allerdings individuell buchbar. Insofern haben sie doch etwas von einem Taxi. Stellen Sie sich vor, Sie planen eine Flugreise. Dann können Sie per App gleich einen Luft-Transfer zum Flughafen und zurück buchen. Wenn es soweit ist, begeben Sie sich zu dem Abflugpunkt. Dort checken Sie ein und geben Ihr Gepäck ab.
Nach der Vorstellung des Modells kam prompt Kritik vom Taxi-Verband. Das "Flugtaxi" sei nur etwas für Milliardäre. Ist da was dran? Für welche Zielgruppen ist der CityAirbus bestimmt?
von Kursell: Wenn das so wäre, dann dürfte das den Taxi-Verband ja nicht weiter stören. So viele Milliardäre gibt es ja nicht. Es stimmt aber nicht. Wir peilen die Zielgruppe an, die heute mit einem herkömmlichen Taxi fahren würde. Wer beruflich unterwegs ist und den Stau vermeiden will, für den kann das Lufttaxi eine attraktive Alternative sein. Unser Ziel ist es, so nah wie möglich an den Preis für eine Taxifahrt mit dem Auto heranzukommen. Unsere Luftfahrzeuge wie der CityAirbus sollen in ihren Kosten über die gesamte Lebenszeit kostengünstiger sein als klassische Hubschrauber. Da die Lufttaxis aber nicht überall starten und landen werden, sondern auf festen Routen fliegen, wird es weiterhin genug Bedarf für Autotaxis geben. Nicht alle Straßen sind zudem so überfüllt, dass ein Flug wirklich einen Vorteil bringt.
Kann der CityAirbus zu einem Fortbewegungsmittel der Massen werden oder ist es allenfalls ein Nischenprodukt?
von Kursell: Weder noch. Städtischer Luftverkehr ist eine zusätzliche Option für moderne Großstädte. Er wird den Verkehr am Boden weder ersetzen noch so stark entlasten, dass es künftig keinen Stau mehr gibt. Das ist auch nicht unser Anspruch. Wir sehen aber genügend Bedarf, um ein entsprechendes Geschäftsmodell aufzusetzen.
Der CityAirbus soll autonom fliegen. Doch wer überwacht den Betrieb?
von Kursell: Ein kommerzieller Betrieb von Lufttaxis wird nur auf der Grundlage einer rechtlichen Zulassung stattfinden. Ein Auto muss für den Straßenverkehr zugelassen sein, die Fahrer müssen sich an die Verkehrsregeln halten. Das gilt auch für Luftfahrzeuge. Die Regeln für den städtischen Luftverkehr existieren heute noch nicht. Wir sind aber im Gespräch mit den Behörden, damit eine solche Grundlage geschaffen wird und einen sicheren Betrieb garantiert. Um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten, werden die Luftfahrzeuge und die notwendige Infrastruktur im städtischen Raum mit Anti-Kollisions-Systemen ausgestattet sein, die Zusammenstöße vermeiden.
Für den Einsatz der CityAirbus braucht man ja Betreiber. Wer könnte daran ein Interesse haben?
von Kursell: Für den kommerziellen Passagiertransport sind alle möglichen Modelle denkbar, von städtischen Verkehrsbetrieben über existierende private Transport- und Logistikunternehmen bis hin zu neu auf den Markt kommenden Anbietern. Auch wir bei Airbus können uns vorstellen, nicht nur als Hersteller, sondern auch als Betreiber aufzutreten.
Werden Komponenten des Fliegers auch in Norddeutschland gefertigt?
von Kursell: Von unserem Demonstrator gibt es nur ein Exemplar, dessen Komponenten wurden aus Gründen der Praktikabilität vor allem aus Süddeutschland geliefert. Wie die Zulieferer-Struktur in der Serienfertigung aussehen wird, steht heute noch nicht fest.
Und was denken Sie daran ?