Wie ein grausamer Bestseller die Hexenjagd vorantrieb

04.12.2018 16:04

Wie besessen ist Inquisitor Heinrich Kramer von den vermeintlichen Gefahren durch böse Zauberinnen. Der Geistliche verfasst den »Hexenhammer«, einen Ratgeber, in dem er all sein Wissen über Schwarze Magie sammelt – und befeuert so eine Menschenjagd, der Zehntausende Frauen zum Opfer fallen
.

Heinrich Kramer: Vom Mönch zum Besessenen

Was für eine Niederlage! Heinrich Kramer, Inquisitor und vom Papst beauftragter Hexenjäger, muss 1485 in Innsbruck erleben, wie sieben von ihm der Schwarzen Magie beschuldigte Frauen einfach in die Freiheit entlassen werden. Mehr noch: Auf einmal ist er es, gegen den Anschuldigungen erhoben werden. Doch Kramer wird sich wehren. Mit einem Buch, das die Hexenverfolgung schon bald zu einem Instrument vieltausendfachen Mordes macht.

Jahrhundertelang haben sich die Häscher der Inquisition vor allem auf Glaubensabtrünnige konzentriert. Gegen vermeintliche Hexen, nach Ansicht der Kirche mit dem Teufel verbündet, gab es dagegen kaum Verfahren. Doch ab etwa 1430 schüren Priester und Theologen die Angst vor Hexen­gemeinschaften. In jener Zeit erhält Heinrich Kramer, um 1430 im elsässischen Schlettstadt geboren, seine Ausbildung. Er studiert vermutlich im örtlichen Dominikanerkloster und wird Inquisitor. Ab etwa 1474 klagt er als reisender Ermittler Hexen an. Doch häufig gibt es mit Bürgermeistern und Fürsten Strei­tereien um die Zuständigkeit.

Kramer geht nach Rom, sucht die Unterstützung des Papstes. Und tatsächlich lässt sich Inno­zenz VIII. von ihm einen Erlass soufflieren. Darin erklärt der Pon­tifex die Hexenverfolgung für not­wendig und ernennt den Dominikaner in dieser Sache zu seinem Abgesandten in zahlreichen deutschen Bistümern.

Doch 1485 erlebt Kramer in Innsbruck, wie schwach seine Autorität wirklich ist. Als der dortige Landesfürst erfährt, wie der Inquisitor bei einem Hexenprozess die Angeklagten foltert, deren Aussagen verdreht und ihnen recht­lichen Beistand verweigert, interveniert er und ordnet an, der Prozess solle fortan von einem Kollegium unter Vorsitz eines bischöflichen Gesandten geleitet werden. Die Gerichtsherren sorgen dafür, dass die Frauen einen Verteidiger erhalten, der den Verlauf des Verfahrens bald umkehrt, Kramer formale Mängel vorwirft und an­mahnt, die Angeklagten freizulassen und stattdessen den Inquisitor festzunehmen. Der vorsitzende Richter teilt die Auffassung des Advokaten und entlässt die Frauen. Kramer wird zwar nicht verhaftet, doch der Bischof for­dert ihn auf, aus seiner Diözese zu verschwinden.

Der Hexenhammer – ein Ratgeber, der zum Morden anregt

Der Inquisitor geht – und schreibt nun ein Buch, das den Zeitgenossen die Hexengefahr vor Augen führen soll. Wenige Monate später ist „Der Hexenhammer“ voll­endet (der Titel des 1487 erscheinenden Werkes spielt auf die Ehrbezeichnung „Ketzerhammer“ für besonders erfolgreiche Inquisitoren an).

Hexen, heißt es darin, könn­ten dank des Teufels Hilfe durch die Luft fliegen und sich in Tiere verwandeln. Rund 250 Schadens­fälle nennt der Autor, berichtet von Blitzeinschlägen durch Hexen, von Männern, „die an der Zeu­gungskraft behext“ werden, von Krankheit und „Liebestollheit“ – und von Hebammen, die Kindertöten und den Dämonen opfern.

Ein Klischee, das Jahrhunderte überlebt

Am Schluss des Buches stellt er Strategien für das Vorgehen der Anklage in Hexenprozessen vor, gibt Ratschläge zu Ermittlung, Zeugenbefragung, Folter. In den theologischen Abschnitten ver­dreht Kramer Schriften kirch­licher Autoritäten, damit sie zu seiner Argumentation passen. In den Beispielen aus seiner Praxis gibt er Niederlagen als Erfolge aus. Er führt auch einen Mitautor an, den Kölner Ordensoberen Jakob Sprenger – wohl um seinem Werk mehr Glaubwürdigkeit zu verlei­hen. Doch das ist gelogen.

Trotzdem wird das Buch ein großer Erfolg. Kramer hat es so effektvoll und alarmierend formuliert, dass seine Ideen nach und nach immer mehr Einfluss gewinnen. Der päpstliche Erlass, der Schrift prominent vorangestellt, gibt dem Werk zudem scheinbar offiziellen Charakter. In weiten Teilen Europas ist Kramers Buch schon bald eine Art Leitfaden für die Verurteilung vermeintli­cher Hexen. Wie nichts zuvor befeuert der Dominikaner die Furcht vor Magie, lässt die Zahl verfolgter Frauen deutlich steigen. Zugleich werden bildliche Darstellungen von Magierinnen populär, die auch auf den Ausführungen des Inquisitors fußen. Unter anderem verfestigt sich ein Klischeebild, das noch heute bekannt ist: von der Frau, die auf ihrem Besen des Nachts durch die Luft reitet.

 

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