Stürme legen 4500 Jahre alten Wald an walisischer Küste frei

13.02.2020 10:13

Unterhalb der Strandes von Borth, einem Küstendorf in Wales, schlummert ein toter Wald. Immer dann, wenn Wind und Ebbe zusammenspielen, tritt er in Erscheinung und verwandelt die liebliche Bucht in eine mystische Kulisse

Kleine charmante Küstendörfchen gibt es in Wales viele. Immerhin verfügt das kleine Land über eine Küstenlinie von mehr als 2000 Kilometern. Doch Borth, zwischen Aberystwyth und der Flussmündung des Dyfi in der Cardigan Bay gelegen, hebt sich bei bestimmten Witterungsverhältnissen von allen anderen ab.

Ein paar pastellfarbene Häuser säumen die schmale Promenade entlang der weitläufigen Bucht, dahinter erstreckt sich auf einem Hügel Weideland: So beschaulich unspektakulär präsentiert sich Borth an den meisten Tagen. Doch wenn besonders starke Winter- und Herbststürme hier auf die walisische Küste treffen – wie unlängst Ciara (in Deutschland als Orkan Sabine bekannt) und sich das aufgebrauste Meer bei Ebbe zurückzieht, erinnert die sonst eher liebliche Bucht von Borth eher an die Kulisse einer mystischen Saga. Dann ragen plötzlich Hunderte skurrile, dunkelbraune Formationen aus dem feinen Sandstrand. Bei genauerer Betrachtung wird klar, es handelt sich dabei um die Überreste abgestorbener Bäume. Einige sind klar an ihrem Wurzelgeflecht zu erkennen, andere haben eher die Anmutung einer Haiflosse, wieder andere versteckt unter Seegras und Algen. Aber sie alle sind seit knapp 4500 Jahren tot.

Baumstümpfe liefern Informationen über ökologische Vergangenheit

Diese besonderen geologischen Überreste machen die Bucht von Borth nicht nur für Touristen interessant, sondern vor allem für Wissenschaftler, die mithilfe von Proben der Baumstümpfe einen Einblick in die ökologische Vergangenheit dieses Landstriches gewinnen können. Ihren bisherigen Erkenntnissen nach, ist dort, wo jetzt die Wellen an Land preschen, vor knapp 6000 Jahren ein Wald aus Birken, Kiefern und Eichen entstanden, der dann vor 4500 Jahren mit dem steigenden Wasserpegel nach und nach abstarb. Dennoch versuchen sie, weiterhin zu ergründen, warum und wie die toten Bäume so lange unter der Sandschicht erhalten bleiben konnten, ohne zersetzt zu werden, und was sie über das damals vorherrschende Ökosystem verraten. Und so sind die Wissenschaftler diverser walisischer Universitäten auch jetzt nach Sturm Ciara wieder in Borth unterwegs, um der Erde weitere Geheimnisse zu entlocken.

Warum die Bäume nur dann zu sehen sind, wenn die Kräfte der Natur an der walisischen Westküste nagen, ist hingegen schnell hergeleitet: Durch die starke Bewegung des Meeres, wird auf einmal eine große Masse des Strandes abgetragen und die natürlichen Zeugen lang zurückliegender Zeiten werden sichtbar. Ganz besonders ausgeprägt war das Phänomen im Mai 2019 nach dem Sturmtief Hannah. Während sonst eher mehrere Dutzende bis hundert Baumstümpfe zu sehen sind, ragten damals knapp 1000 aus der Bucht, ehe der Sand sie nach drei Monaten wieder vollständig bedeckt hatte.

Oder doch ein versunkenes Königreich?

Einige Waliser verbinden den versunkenen Wald, der Wissenschaft zum Trotz, mit einer bekannten Sage aus dem 17. Jahrhundert. Cantre’r Gwaelod (zu Deutsch: Tiefland-Hundertschaft) beschreibt den tragischen Untergang eines antiken und fruchtbaren Königreichs, welches hier, in der Cardigan Bay gelegen haben soll.

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