Robert Koch: Der Mann, der Krankheiten die Geister austrieb

23.03.2020 20:42

Als im 19. Jahrhundert mysteriöse Krankheiten unzählige Menschen dahinrafften, glaubten viele, es seien Geister, die den Tod übertragen. Bis der Landarzt Robert Koch alles auf den Kopf stellte und Bakterien als Erreger identifizierte

Tuberkulose, Cholera, Diphtherie, Wundinfektionen. Was mit moderner Medizin als behandelbar gilt, brachte im 19. Jahrhundert oft den sicheren Tod. Infektionskrankheiten waren eine der Haupttodesursachen in Deutschland, es starben jedes Jahr Hunderttausende Menschen. Ebenso fatal wie ihre Auswirkungen, so unerklärlich war die Verbreitung der Krankheiten. Die meisten Menschen glaubten, für die Übertragung seien übel riechende Ausdünstungen in der Luft, verunreinigte Böden, oder Geister verantwortlich. Das Problem: Gegen Geister kann man nicht kämpfen.

Anders die medizinische Forschung, sie war den Erregern der Infektionskrankheiten auf der Spur. Bereits 1674 beobachtete der niederländische Forscher Antoni van Leeuwenhoek unter einem von ihm selbst entwickelten Mikroskop Bakterien. Wie sie als Erreger für Krankheiten funktionieren, blieb den Forschern aber lange verborgen.

Mehr als 200 Jahre später, 1876, präsentierte ein junger Landarzt, das dritte von insgesamt dreizehn Kindern einer Bergmannsfamilie aus Clausthal, bahnbrechende Studienergebnisse. Er wies nach, dass Milzbrand von einem einzigen Erreger ausgelöst wird.

Mikroorganismus als Ursache für Infektionskrankheiten

Der junge Landarzt war Robert Koch. Geforscht hatte er in einem sehr dürftig ausgestatteten Labor in seinem Wohnhaus in Wollstein. Rund um die Stadt im heutigen Polen forderte Milzbrand immer wieder Todesopfer unter Menschen und Tieren. Koch hatte unter seinem Mikroskop immer dann stäbchenförmige Bakterien gefunden, wenn er eine Probe von einem am Milzbrand erkrankten Tier untersuchte. Diese Bakterien isolierte er und übertrug sie auf gesunde Versuchstiere – so identifizierte er den Erreger der tödlichen Krankheit. 

Koch zeigte der Welt erstmals, dass ein Mikroorganismus die Ursache für eine Infektionskrankheit ist – eine bahnbrechende Erkenntnis, die auch die Karriere des Arztes kräftig ankurbelte: 1880 wurde er an das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin berufen. Mit Koch zog wissenschaftlicher Fortschritt ein: Systematisch baute er die bakterielle Methodik im Institut aus, er wollte das Wesen von Infektionskrankheiten genauer verstehen und gezielte Gegenmaßnahmen entwickeln.

Robert Koch entdeckt den Tuberkulose-Erreger

Weltruhm errang Koch 1882 mit der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers. Koch stellte damit die Lösung für eines der schwerwiegendsten Probleme der Gesellschaften im 19. Jahrhundert in Aussicht: Tuberkulose war eine Volkskrankheit, ein Siebtel der Bevölkerung im Deutschen Reich starb daran. Woher die „Weiße Pest“ kam und wie sie sich ausbreitete, war bis dahin unklar. 

Es waren neue Forschungsmethoden, wie die Verwendung von festen Nährböden für die Bakterienzüchtung, spezifische Färbetechniken, und die Fotografie in der Bakteriologie, die Koch ermöglichten, dieses Rätsel zu lüften - einige hatte er selbst entwickelt. Er konnte zeigen, dass Tuberkulose durch Tuberkelbazillen ausgelöst wird, 1905 erhielt er dafür den Nobelpreis in Medizin. 

Ebenso gefeiert wurde Koch für die Erforschung der Cholera. Dafür reiste er 1883 in das indische Kalkutta, nach einem dortigen Ausbruch identifizierte er das Bakterium Vibrio cholerae. Zwar hatte der Italiener Filipo Pacini den Erreger bereits 20 Jahre zuvor beschrieben, seine Publikation fand in Deutschland jedoch kaum Beachtung. 

Ein herber Rückschlag für Koch war die Unwirksamkeit seines Heilmittels gegen Tuberkulose. 1890 hatte er „Tuberkulin“ - eine Mischung aus Bestandteilen abgetöteter Tuberkelbazillen - als Heilmittel, sogar als möglichen Impfstoff, vorgestellt. Der erhoffte Erfolg blieb aus, manche Patienten starben bei der Behandlung, keiner wurde langfristig geheilt. Was Koch damals nicht ahnen konnte: Bis heute wird Tuberkulin eingesetzt, um eine Tuberkuloseinfektion zu diagnostizieren. 

1910 starb Robert Koch an den Folgen eines schweren Herzanfalls. Die letzten Jahre seiner Forschung hatte er viel auf Reisen verbracht; er hatte Tierseuchen im südlichen Afrika erforscht, Malaria und die Schlafkrankheit bei Menschen untersucht.

Was bleibt von dem Mann, der den Krankheiten die Geister austrieb und der Welt zeigte, dass ihre Ausbreitung rational zu erklären ist? Rund 1.100 Briefe, Urkunden, Manuskripte, Fotografien, mikroskopische Präparate, Bücher, die meisten mit einem blauen „K“ gekennzeichnet – Kochs wissenschaftlicher Nachlass. Aufbewahrt ist dies alles im Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Das Institut ist sein wohl größtes Vermächtnis: Noch heute hört Deutschland darauf, was die Bundesbehörde sagt, wenn es um Krankheiten und deren Ausbreitung geht. Die Wissenschaftler des RKI gaben Empfehlungen an die Politik, als sich Schweinegrippe, SARS, Masern oder das Norovirus ausbreiteten – und tun es beim Coronavirus. Grundlagen dieser Forschung und der Arbeit der vielen namhaften Schüler Kochs ist seine Entdeckung der Mikroorganismen als Erreger für Infektionskrankheiten. 

Welchen Stellenwert das Institut im Leben des Begründers der modernen Bakteriologie und Mikrobiologie eingenommen hat, lässt sich nur erahnen: Aus Robert Kochs Wunsch wurde eine Urne mit seiner Asche in einem Mausoleum in seinem Institut beigesetzt.

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