Robert Habeck verbreitet Optimismus – und steht damit alleine da

05.02.2024 11:02

Zwischen Hyperaktivität und Selbstblockade: Die Ampel irrlichtert in ihr drittes Jahr. Ob die Regierung das Land überfordern würde, wollte Caren Miosga von Robert Habeck wissen. Am Ende entstand der Eindruck, dass an anderer Stelle Überforderung herrscht.

Von Mark Stöhr

Moll – so ordnete Robert Habeck zu Beginn der Debatte die aktuelle Stimmung in Deutschland ein. Also getrübt, bang, schwermütig. Dabei soll es aber nicht bleiben. Habeck, Meister der Hauruck-Initiativen, versprach Abhilfe noch am selben Abend. "Vielleicht kann ich heute ein bisschen Dur reinbringen." Ob ihm das gelang? Na ja. Der Vizekanzler ist ein Anti-Populist und verzichtet auf einfache Deutungen und Formeln. Dafür verknotet er sich oft in eh schon heillos verknoteten Sachverhalten. Aber er kann Kirchentag wie kein anderer. Irgendwann rief er aus: "Lasst uns doch die Quadratur des Kreises probieren – alles Mögliche denken und erlauben."

Bei Caren Miosga zu Gast waren:

  • Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Bündnis 90/Die Grünen)
  • Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin in der Hauptstadtredaktion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
  • Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender des Stahlkonzerns Salzgitter AG

Dass Habeck und Lindner zurzeit wieder Beef haben, nimmt man mittlerweile nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Der Wirtschaftsminister überraschte seinen Kollegen vom Finanzressort in einer Bundestagsdebatte vergangene Woche mit dem Vorschlag, zur Entlastung von Unternehmen ein Sondervermögen aufzulegen. Pump an der Schuldenbremse vorbei sozusagen – das Veto vom FDP-Chef ließ nicht lange auf sich warten. Er wählte dafür nicht das Pult im Plenum, sondern das Megafon der Medien. "Wie wäre es, wenn Sie sich mit Herrn Lindner in einen Raum setzen würden, als über die Öffentlichkeit miteinander zu kommunizieren?", schlug Caren Miosga vor. Robert Habeck frotzelte zurück: "Wir sitzen ganz häufig in einem Raum, oft nächtelang."

Habeck sieht keinen Konsens für Einsparungen

Für fehlgeleitete Kommunikation ist keine Zeit mehr. Das weiß auch der Minister. Die Wirtschaft wartet auf verlässliche Rahmenbedingungen, um wieder mehr in die Infrastruktur und Forschung zu investieren. Und auf Entlastungen. In Frankreich und den USA etwa liegt die Unternehmenssteuer bei 25 Prozent, in Deutschland bei 30. Eine Senkung um 5 Prozent, rechnete Habeck vor, würde den Bundeshaushalt rund 30 Milliarden Euro kosten. Woher soll das Geld kommen? "Wir können ja schon kaum die 8 Milliarden im Rahmen des Wachstumschancengesetzes zusammenkratzen."

Dass er für Schulden statt Sparen ist, sagte er nicht explizit. Aber der Subtext schien klar durch. Schon allein beim Agrardiesel sei deutlich geworden, wie heftig der Widerstand gegen Einsparungen sei, gab er zu bedenken. Und hier sei es gerade mal um 450 Millionen Euro gegangen. "Ich weiß nicht, ob die demokratische Politik im Land das aushält." Zumal keine bisher diskutierte Kürzungsidee Aussicht auf einen halbwegs stabilen Konsens habe. Der politische Raum sei insgesamt verstellt, beklagte Habeck. Im kompletten Spektrum, nicht nur innerhalb der Koalition. Gespräche seien fast nur noch mit Vorbedingungen möglich. "Es kann nicht sein, dass demokratische Parteien nicht miteinander reden."

"Das Klimageld ist von vorne bis hinten vermurkst"

Wie sich das Hickhack in Berlin und zwischen den Bundesländern konkret auswirkt, machte Salzgitter-Chef Gunnar Groebler deutlich. Er "dekarbonisiert" gerade ein Drittel der Produktion, um klimaneutralen Stahl herzustellen. 2025 könnte es so weit sein – aber: Die Politik kann ihr Versprechen nicht halten, genügend grünen Strom und Wasserstoff zur Verfügung zu stellen. Zu wenige Anlagen, zu wenige Netze. Klingt bitter, ist es auch.

Eine Milliarde Euro hat die Salzgitter AG für den Transformationsprozess vom Staat erhalten. Groebler nennt das "Investition in den Standort Deutschland", nicht "Subvention". Die Wirtschaftsjournalistin Julia Löhr hält solche Hilfen für zu hoch und für zu selektiv. Ausgewählte große Unternehmen kassierten riesige Summen, die anderswo fehlten. "Ich fürchte", sagte sie, "diese Zahlungen werden zu Dauersubventionen, weil wir nie diese gewaltigen Mengen an Ökostrom und Wasserstoff produzieren können, um alle energieintensiven Betriebe hier im Land zu halten."

Ganz zum Schluss – Robert Habeck hatte schon sein Feierabendgesicht aufgesetzt – kam Caren Miosga noch mit einer unangenehmen Frage um die Ecke. "Wann, Herr Minister, kommt das Klimageld?" Habeck seufzte hörbar auf und murmelte etwas von noch unklaren "Auszählungsmechanismen" und einer "perspektivischen Einführung". Höchstwahrscheinlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Da platzte Julia Löhr der Kragen. "Das Klimageld ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich die Koalition vor zwei Jahren als Fortschrittskoalition gefeiert hat und jetzt verkatert überm Tresen hängt." Ihr Fazit: "Es ist von vorne bis hinten vermurkst."

Quelle