Können Tiere lügen? Verhaltensbiologin gibt Antwort

13.02.2024 10:34

Menschen Lügen, wenn sie einander nicht verletzen wollen, aus Höflichkeit, aber vor allem, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Doch wie sieht es im Tierreich aus? Auch hier gibt es bewusste Täuschungen. Welche Tiere ihre Artgenossen an der Nase herumführen und ob auch Hunde oder Katzen lügen können, verrät PETBOOK-Redakteurin und Verhaltensbiologin Dr. Saskia Schneider.

Der amerikanische Psychologe Jerry Jellison behauptete, Menschen würden bis zu 200-mal am Tag lügen. Heute geht man von zweimal am Tag aus. Dabei beginnen schon Kinder ab dem vierten oder fünften Lebensjahr damit. Forscher haben in Studien gezeigt, dass geschickte Lügnerinnen und Lügner sozial überdurchschnittlich kompetent sind, gut kommunizieren und komplex denken können. Zudem besitzen sie ein großes Einfühlungsvermögen. Lügen bringt also Vorteile – nicht nur uns Menschen. Auch Tiere sind in der Lage, bewusst zu täuschen – doch können sie auch lügen? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst genau definieren, was man unter dem Begriff Lügen versteht.

Was ist Lügen eigentlich?

Philosophen und Theologen definieren eine Lüge gewöhnlich als eine absichtlich irreführende Botschaft. Die Intention spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Wenn wir Menschen Lügen, verfolgen wir meist eine Absicht und sind uns bewusst, dass wir gerade eine falsche Information senden – ob durch unsere Sprache oder unsere Handlung.

Auch bei Tieren gibt es Täuschung. Allerdings unterscheiden Biologen hier zwischen einer sogenannten funktionalen und einer absichtlichen Täuschung. Eine funktionale Täuschung liegt etwa vor, wenn eine Fliege durch ihre Farbe vorgibt, eine Wespe zu sein, in Wirklichkeit aber völlig harmlos ist. Die Fliege macht dies nicht bewusst und hat wahrscheinlich nicht mal ein Bewusstsein dafür, dass sie einer Wespe ähnelt. Ihre Farbgebung hat sich im Laufe der Evolution entwickelt, weil es für die Tiere ein Vorteil war.

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Tiere können absichtlich täuschen

Unter der absichtlichen Täuschung versteht man ein Verhalten, dass Tiere bewusst einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Hierzu gibt es viele Beispiele aus der Tierwelt. So täuschen bodenbrütende Vögel eine Verletzung vor, um ein Raubtier von ihrem Nest oder ihren Jungen wegzulocken.

Manche Vögel geben falsche Alarmrufe von sich, damit Vögel andere Arten das Weite suchen. So erhöhen sie ihren eigenen Erfolg bei der Nahrungssuche. Aber ist den Tieren dabei wirklich bewusst, was sie tun? Oder hat sich ihr Verhalten genau wie die Farbe der Fliege im Laufe der Evolution entwickelt?

Tatsächlich ist es nicht einfach, diese Frage zu beantworten. Es gibt jedoch ein paar Beobachtungen aus der Tierwelt, bei denen sich Forscher ziemlich sicher sind, dass es sich hier um trügerische Kommunikation handelt – also um eine bewusste Täuschung.

Raben gaukeln Artgenossen falsche Tatsachen vor

So stellten Wissenschaftler während eines Versuches mit Raben fest, dass die Vögel ihren Artgenossen falsche Tatsachen vorspielen, damit diese ihnen das Futter nicht streitig machen. Denn anstatt nach eigener Nahrung zu suchen, neigen dominante Männchen dazu, untergeordnete Raben bei ihrer Futtersuche zu beobachten und zu verfolgen. Sobald die rangniedrigen Männchen erfolgreich sind, nehmen sie ihnen die Beute weg und fressen sie selbst.

Doch dagegen entwickelten die rangniederen Raben schnell eine Strategie: So taten sie oft nur so, als hätten sie Futter entdeckt. Stürzten sich die dominanten Männchen dann auf die vermeintliche Beute, nutzten sie die Zeit, um zu den Orten zu fliegen, an denen sie tatsächlich Nahrung gefunden hatten.

Kapuzineraffen warnen vor nicht existenten Feinden

Ein ähnliches Verhalten kennt man auch von Primaten. So ist von Schimpansen bekannt, dass sie sich von einem Futterplatz entfernen, um andere Gruppenmitglieder dazu zu bringen, dasselbe zu tun. Eigentlich signalisieren sie damit: Etwas stimmt nicht – lasst uns lieber verschwinden. Doch manchmal flunkern die Tiere ihre Artgenossen an, um dann später zurückkehren und das Futter in Ruhe allein zu genießen.

Auch Kapuzineraffen führen ihre Artgenossen gerne mal hinters Licht, wenn es ums Futter geht. Normalerweise warnen Mitglieder einer Gruppe sich gegenseitig, wenn Gefahr droht. Häufig geben die Tiere aber auch falschen Alarm und kündigen nicht existierende Feinde an. Sobald ihre Artgenossen geflüchtet sind, machen sie sich über das verlassene Futter her.

Dieses Verhalten von Tieren könnte man durchaus als Lügen bezeichnen. Bisher wurde es vor allem bei sozial intelligenten Tieren wie Primaten oder Rabenvögeln beobachtet. Aber wie sieht es mit unseren Haustieren aus?

Können Hunde oder Katzen lügen?

Zumindest für Hunde konnte die Wissenschaft nachweisen, dass diese Artgenossen oder auch Menschen bewusst täuschen, wenn es ihnen einen Vorteil bringt. In einer Studie, die von Forschern der Universität Zürich durchgeführt und in der Fachzeitschrift „Animal Cognition“ veröffentlicht wurde, sollte die Frage beantwortet werden, ob Hunde Menschen bewusst falsche Informationen geben.

Dafür präsentierten die Wissenschaftler den Hunden im Experiment zwei Menschen: Einer davon verhielt sich kooperativ und teilte Leckerli mit den Tieren. Der andere Mensch hingegen präsentierte den Hunden die Leckerli, behielt sie jedoch für sich. Er verhielt sich also wie ein Konkurrent.

Hunde führen Menschen bewusst zu falschen Orten

Die Tiere sollten die beiden Menschen im Versuch zu einer von drei Schachteln führen. Davon war eine leer, eine andere enthielt einen Hundekeks und die dritte Schachtel enthielt Würstchen, die für die meisten Hunde äußerst attraktiv sind.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Hunde am ehesten den kooperativen Menschen zur Kiste mit den Würstchen führten. Den „Konkurrenten“ führten sie hingegen bewusst von dieser Kiste weg zu einer der anderen, damit dieser ihnen die Würstchen nicht wegnahm. Die Forscher schließen hieraus, dass die Hunde also bewusst falsche Informationen gaben und andere Informationen vorenthielten.

Ob sie dabei „gelogen“ haben, kann man nicht sagen. Denn die Aufgabe bestand darin, den Menschen zu einer der Schachteln zu führen – also zu keiner bestimmten. Trotzdem zeigten die Ergebnisse, dass Hunde zwischen dem kooperativen und dem konkurrierenden Partner unterscheiden und dass sie in der Lage sind, taktische Täuschungen anzuwenden, schreiben die Autoren in ihrer Zusammenfassung der Studie.

Für Katzen sind vergleichbare Untersuchungen bisher nicht gemacht worden. Viele Halter sind sich jedoch sicher, dass die Tiere in der Lage sind, sie bewusst zu täuschen. Hierbei muss man jedoch vorsichtig sein, denn wir Menschen interpretieren zu gerne etwas in das Verhalten unserer Haustiere herein, dass eigentlich ganz andere Ursachen hat.

Fazit: Können Tiere lügen?

Nach heutigem Stand der Wissenschaft konnte man für viele Tiere nachweisen, dass sie fähig sind, Artgenossen oder andere Arten bewusst zu täuschen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Auch für Hunde konnte Schweizer Forscher dies nachweisen.

Ob man dieses Verhalten wirklich mit dem Lügen von uns Menschen gleichsetzen kann, ist dennoch umstritten. Denn Lügen in dem Sinne, wie wir Menschen es verstehen, setzt voraus, dass dem Lügner bewusst ist, dass der Belogene über Wissen und Überzeugungen verfügt, die sich von seinen eignen unterscheiden können.

Ob auch Tiere solch ein Bewusstsein oder Verständnis für ihr Gegenüber besitzen, versuchen Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten herauszufinden – teilweise mit widersprüchlichen Ergebnissen. Am ehesten spricht man dies noch den Menschenaffen zu.

Quelle