Fataler Irrtum: Warum Schildkröten wirklich Plastikmüll fressen

12.03.2020 15:29

Forscher rätselten bislang, warum Meerestiere Plastikmüll fressen. Jetzt zeigt sich: Er riecht verführerisch - zumindest für Meeresschildkröten

Fast 700 Arten von Meerestieren sind direkt von Plastikmüll betroffen. Weil sie sich darin verheddern und ertrinken – oder weil sie ihn fressen und dann mit vollem Magen verhungern. Lange rätselten Meeresbiologen, warum Tiere wie Wale und Meeresschildkröten im Meer treibende Plastiktüten mit tierischer Nahrung verwechseln. Eine Annahme war, dass sie transparenten Kunststoff mit Quallen verwechseln. Jetzt haben Forscher herausgefunden: Er riecht einfach gut.

Grund dafür ist nicht der Kunststoff selbst. Sondern, was sich mit der Zeit darauf ansiedelt, darunter Algen und tierische Kleinlebewesen. Zusammen entwickeln sie einen Duft, der Meeresschildkröten anzieht. Um diesen Verdacht zu bestätigen, setzten die Meeresbiologen 15 Tiere unterschiedlichen Geruchsquellen aus.

Über Rohrleitungen boten die Wissenschaftler um den Meeresbiologen Joseph Pfaller von der der University of Florida in Gainesville den Reptilien abwechselnd Düfte von Fischen und Garnelen, von fünf Wochen altem "Meeresplastik", von frischem Plastik und entionisiertem Wasser an. Der Befund war eindeutig: Das Aroma des eigentlichen Futters in der Luft ließ die Tiere genauso lange die Nase aus dem Wasser halten wie der der bewachsenen Plastikteile. Nämlich dreimal länger als die beiden "neutralen" Vergleichsdüfte.

Plastik riecht genauso verführerisch wie Garnelen

„Wir waren überrascht, dass Schildkröten auf Gerüche aus Plastik mit Ablagerungen mit der gleichen Intensität reagierten wie auf ihr Futter“, sagt Pfaller in einer Mitteilung des Fachblatts „Current Biology“, in der die Studie erschien. Diese „olfaktorische Falle“, so Pfaller weiter, könnte erklären helfen, warum Schildkröten so oft Plastikteile verschlucken oder sich darin verheddern.

Zu trauriger Berühmtheit bringen es regelmäßig Bilder wie die von einer Schildkröte mit einem Zehn-Zentimeter-Strohhalm in einem Nasenloch oder Bilder von Tieren, die sich in Netzen verheddert haben und verendet sind.

Weitere Studien sollen nun klären, welche Substanzen genau für die attraktiven Gerüche verantwortlich sind und welche Rolle Düfte spielen, die die Tiere unter Wasser wahrnehmen. "Das Plastikproblem im Ozean ist komplexer als Plastiktüten, die wie Quallen aussehen", sagt Johann Pfaller. Klar ist: Alle Kunststoffe stellen für Schildkröten eine Gefahr dar.

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