Darmflora und Medikamentenwirkung

29.09.2022 12:50

Spezielle Medikamente gegen Parkinson wirken bei Patienten unterschiedlich. Ihr Effekt hängt offenbar mit der individuellen Zusammensetzung der Darmflora zusammen. Sie wird in Zukunft eine entscheidende Rolle für die Wahl eines Arzneimittels spielen.

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im Gehirn. Er sorgt für die Kommunikation zwischen Nervenzellen und gilt als antriebs- und motivationssteigernd. Wenn dopaminproduzierende Nervenzellen im Gehirn absterben, kann das zu einer Parkinson-Erkrankung führen. Eine Krankheit, die auch als Schüttellähmung bekannt ist. Mit speziellen Arzneimitteln lassen sich die Defizite an Dopamin ausgleichen und die Symptome der Krankheit lindern.

Die Darmflora beeinflusst die Medikamentenwirkung

Zu diesen Arzneimitteln gehören Medikamente mit den Wirkstoffen Levodopa (L-Dopa). Betroffene nehmen sie oral ein, über den Darm werden sie absorbiert und später im Gehirn in Dopamin umgewandelt. Allerdings entfalten die Substanzen ihren Effekt von Patient zu Patient verschieden stark.

Die Wirksamkeit hängt offenbar mit der Zusammensetzung der Darmflora zusammen. Das fand ein US-Forscher-Team um Peter Turnbaugh von der University of California und Emily Balskus von der Harvard University heraus. 

Bestimmte Mikroben im Darm einiger Patienten wandeln die Dopaminvorläufer nämlich bereits um, bevor sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden können – und machten sie dadurch wirkungslos. Die Wissenschaftler fahndeten nach den Bakterien, die für diesen Effekt verantwortlich sind. Dazu durchsuchten sie das Erbgut aller verbreiteten Darmbakterien nach Enzymen, die Levodopa zu Dopamin umbauen können. Dabei fanden sie unter anderem das Bakterium Enterococcus faecalis. Es stellte sich heraus, dass die Dopaminvorläufer um so weniger wirkten, je mehr von diesem Bakterium im menschlichen Darm vorhanden war.

Spezielle Wirkstoffe können die Bakterien aufhalten

Die Wissenschaftler um Peter Turnbaugh und Emily Balskus entdeckten ein Molekül, das die Enzyme stoppen kann. Es heißt AFMT. Sie schlagen vor, Patienten zusätzlich zu Levodopa Substanzen wie AFMT zu verschreiben, um die Wirkung der Enzyme zu unterbinden. Problematisch daran ist, dass zuerst der Stuhl jedes Patienten untersucht werden muss, um die individuelle Zusammensetzung der Medikation zu bestimmen.

Bereits frühere Studien haben ergeben, dass das Mikrobiom verschiedener Patienten Medikamente unterschiedlich schnell abbaut. Das zeigt sich am Beispiel von Schmerzmitteln: Bei manchen wirken sie viele Stunden lang, bei anderen um einiges kürzer.

Darmflora und Medikamentenwirkung: Mikroben verdauen Arzneisubstanzen

Eine Studie der Yale School of Medicine in New Haven untersuchte den Zusammenhang zwischen der Darmflora und der Medikamentenwirkung nun systematisch.

Die Forscher testeten 300 Medikamente, die sie mit 76 Bakterien zusammenbrachten, die im menschlichen Darm vorkommen. Sie wollten wissen, welche Mikroben welche Wirkstoffe verdauten und wie effektiv sie dabei waren. Insgesamt waren die getesteten Bakterien in der Lage, fast zwei Drittel der untersuchten Medikamente in unwirksame Bestandteile zu zerlegen.

Zwar können alle untersuchten Mikroben im menschlichen Darm vorkommen, aber nicht in jedem. Je nach Ernährung, Lebensstil oder Erkrankungen ist die Darmflora mit ganz unterschiedlichen Bakteriengemeinschaften besiedelt. Das könnte auch erklären, warum bestimmte Medikamente von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark wirken. 

In Zukunft könnte eine individualisierte Medizin so aussehen, dass erst die Darmflora eines Patienten getestet wird, bevor er das für ihn passende Medikament erhält.

 

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